»Ich war dort, wo man mich hingepflanzt hat, wie ein Ziergewächs in einem Topf. Jetzt bin ich hier und wuchere.« So beschreibt sich Marie, die sich auf der Flucht befindet – sie flieht vor ihrem übermächtigen und mitunter gewalttätigen Ehemann und sucht Zuflucht bei ihrer Cousine Johanna, die seit vielen Jahren zurückgezogen in einer Almhütte in den Tiroler Bergen lebt. Auf den ersten Blick könnten die beiden jungen Frauen unterschiedlicher kaum sein: erfolgsverwöhnter und weltgewandter Stadtmensch – wenn auch verachtet und klein gehalten vom eigenen Mann – auf der einen Seite, und unangepasste, wortkarge Aussteigerin auf der anderen Seite. Und so findet Marie bei ihrer Cousine nicht, was sie sich wünscht: Verständnis, Gespräche, Trost. Stattdessen wird sie in den harten Alltag der Berge geworfen und muss das Schweigen und die Ablehnung von Johanna ertragen. Lange zurückliegende Traumata kommen ans Licht, alte Wunden brechen auf, ein Kräftemessen beginnt. „Wild wuchern“ ist ein fesselnder und zarter Roman zugleich über Selbstbestimmung, Freiheit und Anderssein vor der rauen und ursprünglichen Kulisse der Tiroler Alpen – ein eindrucksvolles Kammerspiel in den Bergen.

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- Wild wuchern