Sommerwasser

Wer bei dem Titel des Romans eine unbeschwerte, harmonische Urlaubslektüre erwartet, hat sich getäuscht – und dennoch liest sich das neue Buch der schottischen Autorin Sarah Moss leicht und lässt beim Lesen tief in die Gedankenwelt der Charaktere eintauchen.

Die Tage in der kleinen Feriensiedlung mit einfachen Holzhütten an einem schottischen See könnten so schön sein, wenn nur der Dauerregen nicht wäre, der unaufhörlich niederprasselt und so ziemlich alle Aktivitäten außerhalb der Hütten zunichte macht. So bleibt den unterschiedlichen Bewohner*innen kaum etwas anderes zu tun, als den eigenen Gedanken nachzuhängen, die Nachbar*innen zu beobachten und sich Urteile über sie zu bilden. Schwelende Konflikte und verborgene Emotionen, die unter der Oberfläche brodeln, drohen aufzubrechen: da ist die Familie mit kleinen Kindern und überforderter Mutter; da sind pubertierende Teenager, die ihren Platz suchen und gegen die Eltern rebellieren; da ist der pensionierte Arzt, der hilflos die zunehmende Demenz seiner Frau beobachten muss; da ist die Mutter, die trotz des Regens jeden Tag am frühen Morgen zum Laufen aufbricht, um diese Zeit nur für sich zu haben; und da ist diese eine Familie, die einfach nicht dazugehört und sich nicht an die Regeln hält. Vieles wird angedeutet, nicht alles wird zu Ende erzählt, es bleiben Einblicke und Raum für eigene Gedanken. Einfühlsam und echt skizziert Sarah Moss menschliche Schwächen, zerlegt Beziehungen und offenbart den Blick auf andere und die Vorstellung von sich selbst.

Ein leiser, gut konstruierter Episodenroman, dem es auch ohne spektakuläre Handlung gelingt, Spannung aufzubauen und die Leser*innen zu fesseln!

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