In einer Kirche in Madrid in Pandemiezeiten der Gegenwart sitzt Pastor Roque de Guzmán im Beichtstuhl und nimmt die Beichte ab. Da gibt es einen Mann, der zum wiederholten Mal Bordelle besucht und seine Frau hintergeht oder um eine Frau, die mit der Wut auf ihren verstorbenen Mann lebt. Ihnen erteilt er die Absolution. Dieses Mal jedoch kommt Lucas Hernández zu ihm, ein Mann, dessen Vergehen so schwer ist, daß er vor dem Padre nicht gleich Worte dafür findet.
Das Buchcover suggeriert es bereits: Es geht in „Die Summe des Ganzen“ um ein schwarzes Schaf, dem ein Kreuz auferlegt ist. Ein Kreuz, das vom Zeichen des Fluches zum Zeichen der Versöhnung werden soll. Wer Steven Uhly kennt, weiß, daß ihm eindimensionale Schilderungen zu wenig wären. Lesende geraten bald in den Sog einer Novelle um Schuld und Vergebung, geschrieben in einer Sprache unmittelbarer Zugänglichkeit, kaum mehr als 160 Seiten lang.
Steven Uhly, meiner Ansicht nach einer der hervorragenden deutschsprachigen Autoren der Gegenwart, hat schon mehrfach gezeigt, daß er sich schwieriger Themen annehmen kann („Adams Fuge“, „Glückskind“), die so vielseitig sind wie sein Lebenslauf. Nun hat er mit „Die Summe des Ganzen“ sein bestes Buch bislang vorgelegt. Kein Werk hat mehr Eindruck in unserem monatlichen Leseclub hinterlassen. Der Secession-Verlag hat es zum Preis der Leipziger Buchmesse in diesem Frühjahr eingereicht.