Die Briefeschreiberin

Mit diesem Debütroman ist der US-amerikanischen Autorin Virginia Evans ein kleines Kunstwerk gelungen: nur durch Briefe zeichnet sie Stück für Stück das Leben der Protagonistin nach und entwirft dabei das Bild einer klugen, selbstbewussten und reflektierten, aber auch verletzlichen Frau.

Das Briefeschreiben ist die große Leidenschaft der 73-jährigen Sybil van Antwerp, ehemals höchst erfolgreiche, nun pensionierte Juristin. Sie schreibt an Freunde, Verwandte, Nachbarn, an die Familie und auch schon mal an Autoren und Autorinnen, die sie beeindruckt haben. Sie erzählt darin von sich – ihrem Alltag, ihren Sorgen, ihren Hoffnungen -, sie gibt Ratschläge, stellt Fragen, bittet um Antworten. Ihre Briefe sind ehrlich, humorvoll, manchmal ruppig und oft gespickt mit leiser Ironie. Wir begleiten sie in ihren Briefen und den Antworten darauf durch alle wichtigen Phasen ihres Lebens – das Aufwachsen mit ihrem Bruder bei Adoptiveltern, das Gründen einer Familie, die Karriere als Anwältin. Die Tatsache allerdings, dass Sybil nicht alle Briefe, die sie schreibt, auch abschickt, lässt erahnen, dass es in weit zurückliegender Vergangenheit auch Schicksalsschläge und dunkle Zeiten gab. Und eben diese Vergangenheit holt sie ein, als eines Tages ein anonymer Brief bei ihr eintrifft, dessen Verfasser sie als „anonymes Miststück“ bezeichnet und der sie zwingt, sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen.

„Die Briefeschreiberin“ war für mich eine wunderbare Lektüre – feinfühlig erzählt von einem Leben mit allen Höhen und Tiefen und mit einer starken Protagonistin, die mir mit jedem Brief näher rückte und sympathischer wurde.

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